Wenn Lesen Fahrt aufnimmt - unterwegs mit dem Medienboten
Marcel Bayers Arbeitsplatz hat zwei Räder. Der 44-Jährige ist Medienbote der Zentralbibliothek im Stadtfenster – und bringt seinen Kundinnen und Kunden per E-Bike Geschichten bis an die Haustür.
„Ich fahre sowieso gerne Rad“, sagt Bayer. „Auch zur Arbeit.“ Sein Hobby hat er vor anderthalb Jahren zum Beruf gemacht - ein echter Glücksfall. Für ihn selbst, aber auch für die vielen Nutzerinnen und Nutzer des Medienbotenservices. Denn Marcel ist kaum ein Weg in Duisburg zu weit. Marxloh, Wanheimerort, Vierlinden – alles gerne mal einem Tag.
Bayers beeindruckend großes Zustellgebiet umfasst die Postleitzahlen 47051, 47053, 47055, 47057, 47058, 47059, 47119, 47137, 47138, 47139, 47166, 47167, 47169, 47178 und 47179. Die übrigen Stadtteile übernimmt ein Kollege aus der Bezirksbibliothek Rheinhausen. „Es kommen schon täglich 30 bis 60 Kilometer zusammen“, schätzt der drahtige Bote. „Ich bin auf jeden Fall fit und kenne die meisten Schleichwege.“
Flitzen statt sitzen
Seinen Schreibtisch in der Zentralbibliothek nutzt er auch nur morgens – und in der Regel nur stehend. „Schreibtischarbeit ist nicht gut für den Rücken“, meint er und greift zum Handy, um Liefer- und Abholtermine (zwischen 9 und 17 Uhr) mit den Kundinnen und Kunden abzustimmen. Zuvor hat er schon die Tagesbestellungen ausgedruckt, Thriller, Hörbücher, Filme, Konsolenspiele und Tonie-Figuren zügig zusammengesucht. „Ich weiß inzwischen genau, wo ich was finde“, sagt er, während er die Medien auf die Kundenkonten verbucht. Maximal fünf Stück pro Kunde – sonst wird‘s zu schwer. Anschließend schnell die blauen, wasserabweisenden Bibliothekstaschen packen und versiegeln – dann ab aufs Rad.
Die Kundschaft ist so bunt wie die Stadt selbst. „Viele ältere oder kranke Menschen, die nicht mehr mobil sind“, erzählt Bayer. „Aber auch Familien und Leute, die sich einfach an den Service gewöhnt haben.“ Ein umweltfreundlicher Service, der zu Corona-Zeiten eingeführt wurde, und bis heute kostenlos ist. Voraussetzungen sind lediglich: ein Wohnsitz Duisburg und ein gültiger Bibliotheksausweis.
Ein kurzer Plausch an der Wohnungstür dann schwingt sich Marcel Bayer wieder aufs Rad. Der nächste Lesehungrige wartet. „Ich mach‘ nur tolle Erfahrungen. Alle Kunden sind so dankbar. Das begeistert mich jeden Tag“, schwärmt er, setzt den Helm auf und tritt kräftig in die Pedale.
Eine seiner treuen Stammkundinnen ist Margret Schiplage aus Wanheimerort. Alle vier Wochen versorgt Marcel Bayer sie mit neuen Romanen ihrer Lieblingsautorin und nimmt im Gegenzug gelesene Bücher wieder mit. „Ich bin alt und kann nicht mehr raus“, erzählt die Rentnerin. „Da bin ich froh, wenn mir jemand Bücher bringt – und das sogar bei Wind und Wetter.“ Nur Schnee und Eisglätte sind Bayers Endgegner. „Aber sonst fahre ich eigentlich immer“, sagt er.
Lesen geht durch den Magen
Zeit für eine Frage ist aber noch: Was liest eigentlich ein Leselieferant selbst am liebsten? Bayer überlegt kurz: „Ich esse lieber als, dass ich lese und leihe mir daher sehr gerne Kochbücher aus.“