Mit Herz und Expertise: Babynavi im Einsatz für junge Familien

Projekt Babynavi - durch starke Kooperation beste Navigation für neue Lebensphasen

Wenn ein Kind zur Welt kommt, ist das ziemlich aufregend. Voller Konzentration auf die neue Rolle und die ungewohnte Situation ist der Kopf mit so vielen Dingen beschäftigt. Wie gut tut es, wenn es dann jemanden gibt, der Fragen beantworten, Unterstützung für Familien anbieten und durch die neue Lebensphase navigieren kann. Genau dafür gibt es das Projekt Babynavi, ein Lotsendienst in der Geburtshilfe. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen unseren Frühen Hilfen der Stadt Duisburg, der Helios Klinik, dem Sana Klinikum und dem Bethesda Krankenhaus. Wir haben uns mit einigen von ihnen getroffen und uns aus ihrem Alltag erzählen lassen.

Nicole Offelmann, Psychologin im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) und Leiterin des Babynavi-Projekts; Dorothea Bierod, Babynavigatorin

Baby-was?

Barbara Nardmann-Stahl, Babynavigatorin an den Helios Kliniken, erklärt es so: „Wir bieten Informationen und Hilfe für frischgebackene Eltern. Wir wirken wie ein Navigationsgerät, das den Eltern Unterstützung und Rat geben kann, wenn sie es wünschen oder gerade brauchen.“ Ein großes und gut strukturiertes Netzwerk bildet die Basis für die Frauen, die als Babynavigatorinnen oder Babylotsinnen auf den Geburtsstationen in Duisburg arbeiten. Nicht selbstverständlich, denn klinikübergreifend, unabhängig vom Unternehmen, arbeitet ein Netzwerk zusammen, damit Eltern und insbesondere Kinder Unterstützung im Leben erfahren. Sieben Babynavigatorinnen leisten viele Stunden pro Woche auf den Geburtsstationen.

Das mit der Navigation ist wörtlich gemeint:

„Wenn wir Mütter oder Eltern aufsuchen, stellen wir ihren Standort fest – wo stehen sie als Eltern, also wo muss Unterstützung anfangen? Dann lotsen wir sie durch den Informationsdschungel.“ Auch der Wohnstandort ist wichtig. Der große Stadtplan im Besprechungszimmer der Babynavigatorinnen ist ebenso ein wichtiger Bestandteil. Schnell wird auf einen Blick sichtbar, welche Hilfen wohnortnah sind. Viele Familien sind durch ihre Alltagssituation auf fußläufige und im Quartier ansässige Hilfe angewiesen.

Anspruch ist es, alle frischgebackenen Eltern auf den Stationen zu begrüßen und sich sowie die Angebote der Babynavigatorinnen vorzustellen.

„Die Familien sind aufgeschlossen, wir werden grundsätzlich sehr positiv aufgenommen“, erzählt Barbara Nardmann-Stahl aus ihrer langjährigen Praxis. Empathie und ein vertrauensvoller Umgang sind dabei sehr wichtig: „Wir schauen, ob Bedarfe da sind und begleiten, wenn gewünscht.“ Die Unterstützung der Eltern soll den Kindern zugutekommen und ihnen eine gute oder bessere Startposition ins Leben ermöglichen. „Wir gucken hin. Wir wollen verhindern, dass erst etwas auffällt, wenn es zu spät ist. Darum ist es so wichtig, Vertrauen aufzubauen.“

Dorothea Bierod, ebenfalls Babynavigatorin, beschreibt ihren Arbeitstag:

„Zuerst verschaffe ich mir einen Überblick, was anliegt. Erste Informationen bekomme ich von den Krankenschwestern, Hebammen und dem Ärzteteam: Kommen die Familien aus Duisburg? Ist der Vater da? Was ist aufgefallen? Ich sortiere nach Besonderheiten, aber auch nach Entlassungsterminen“, erzählt sie. Danach beginnt der Rundgang – und der hat es in sich: Gut 5000 Schritte macht sie an einem Tag auf Station. Klingt vielleicht nicht viel, ist es aber doch, denn innerhalb weniger Stunden kreuzen die Babynavigatorinnen zwischen Kreißsaal, Gynäkologie und der Wöchnerinnenstation. „Ich besuche die Mütter auf ihren Zimmern und verschaffe mir immer zuerst einen ersten Eindruck.“ Bei dieser Erstbefragung macht sie sich ein Bild – Begleitet eine Hebamme? Wurde Kindergeld beantragt? Liegt bei Unverheirateten die Vaterschaftsanerkennung vor? „Wir bekommen im Gespräch heraus, wie die Eltern aufgestellt sind ob es Bedarfe oder Belastungen gibt. Mein Tablet hilft mir dabei sehr. Statt aufwendig gestaltete Broschüren zu verteilen, fotografieren sich die Mütter die Informationen ganz umweltfreundlich vom Display ab: „Klein in der Ecke steht bei mir auch die Nummer des Hilfetelefons bei Gewalt gegen Frauen. Die ist erst auf dem zweiten Blick erkennbar, dann, wenn sich die Mutter die Infoseite in Ruhe anschaut.“ Clever.

Die Babynavigatorinnen werden immer wieder mit prekären Familiensituationen konfrontiert:

Das Nord-Süd-Gefälle der Stadt ist auch in den Krankenhäusern bemerkbar. Ein Problem, dass die Stadt Duisburg aber konstruktiv mit dem Babynavi-Projekt angeht und sich den Schwierigkeiten stellt. Während in Huckingen eher Tipps zum nächsten Spielkreis erfragt werden, die meist nicht existenziell sind, wird im Norden deutlich, dass hier wirtschaftliche und soziale Probleme die Familien prägen. Nach dem ersten Kennenlernen ist häufig eine Begleitung notwendig. „Es gibt immer wieder herausfordernde Situationen. Wir erleben sehr junge Mütter ohne Chance auf Bildung und Berufstätigkeit, eingebunden in patriarchale Strukturen, Unwissenheit über Verhütungsmethoden, Armut oder auch verdrängte Schwangerschaften.“

Professionelle Distanz und Akzeptanz sowie Supervisionen helfen den Kolleginnen:

„Wir arbeiten zwar fast immer allein auf Station und treffen eigenständig Entscheidungen, aber für Entscheidungsfindungen gibt es immer eine Rücksprachemöglichkeit.“ Diese kommt von Nicole Offelmann, Psychologin im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) und Leiterin des  Babynavi -Projekts. Sie leitet und koordiniert das Projekt und bietet den Babynavigatorinnen bei belastenden Erlebnissen, wenn gewünscht, Supervision an. „Das Besondere an diesem Projekt ist das Lotsensystem. Werden Hilfen gebraucht und in Anspruch genommen, machen wir das zusammen. Wir drücken den Müttern nicht nur einen Zettel in die Hand, sondern wir nehmen gemeinsam Kontakt auf, beispielsweise zu Familienhebammen, Beratungsstellen oder dem Jugendamt.“

Es ist ein deutschlandweites Vorzeigeprojekt, bei dem die Klinikverbünde Helios, Sana und Bethesda zusammenarbeiten:

Somit ziehen alle Geburtskliniken in Duisburg an einem Strang und setzen das Babynavi-Konzept professionell und effizient um. Ein starkes Netzwerk ist dabei unabdingbar. Denn wenn es drauf ankommt, zählen Zeit, schnelle Hilfen und Zuverlässigkeit. In Duisburg klappt das sehr gut. Deswegen gibt Barbara Nardmann-Stahl noch diese Worte mit auf den Weg: „Mein Wunsch ist, dass es deutschlandweit diese Art der Unterstützung gibt. Jede Geburtsklinik sollte dieses Angebot für junge Familien anbieten. Es sollte selbstverständlich und eine kassenfinanzierte Standardleistung sein.“

Hintergrund:

  • Beim Projekt Babynavi, dem Babylotsendienst in Duisburg, sind folgende Kliniken beteiligt: das Evangelische Bethesda Krankenhaus, die Sana Kliniken sowie die Helios Kliniken St. Johannes und St. Anna (von hier wird im Sommer allerdings der Kreißsaal in die Klinik St. Johannes verlegt) – alle werden von den Babynavigatorinnnen bzw. Babylotsinnen unterstützt.
  • Mit diesem Angebot erhalten nahezu alle Neugeborenen und ihre Familien in Duisburg Zugang zum Netzwerk „Frühe Hilfen“ und können bei Bedarf Informationen, Beratung und weitergehende Unterstützung in Anspruch nehmen.
  • Möglich ist diese flächendeckende Versorgung durch die finanzielle Unterstützung der Stadt Duisburg, ergänzt durch Mittel aus dem Landesprogramm „kinderstark-NRW schafft Chancen“.
  • Die Babynavigatorinnen sind Fachkräfte mit psychosozialer, pädagogischer, pflegerischer oder medizinischer Grundqualifikation.
  • Sie bieten Übersicht u.a. zu Elterngeld, Mutterschutz, Elternzeit, Wohngeld, Unterhaltsvorschuss, Finanzierungsmöglichkeiten für Babyerstausstattungen.
  • Sie vermitteln an u.a. Familienhebammen, den Frühen Hilfen, Ehe- und Lebensberatungsstellen, Jugendamt, Schreiambulanz, Trauergruppen.

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