Medientipps
Bey, Jens: Schaurige Welt : 90 Orte zum Fürchten und Staunen.
Signatur: Cdn 1 Bey
Aus dem Bereich: Geographie
In fünf Kapiteln mit Gruselfaktor 1 bis 3 bewertet werden 90 mystische, schaurige, unheimliche und verlassene Orte vorgestellt. Zu Beginn jeder Rubrik gibt es eine Weltkarte zur Übersicht, dann folgt die Beschreibung der Schauplätze mit zusätzliche Informationen wie Anreise, Besichtigung und Übernachtungsmöglichkeiten.
Dazu passende beeindruckende Bilder unterstreichen den Gruselfaktor.
Bertolt Brecht: „Unsere Hoffnung heute ist die Krise“: Interviews 1926-56
Signatur: PYB 296 Brecht Brech
Aus dem Bereich: Literaturwissenschaft
Zum 125 Geburtstag von Bertolt Brecht erscheinen erstmals 91 versammelte, zum größten Teil unbekannte Interviews, die der Dichter und Dramatiker in seinem Leben gegeben hat, in Buchform. Herausgegeben, kommentiert und mit Hintergrundinformationen versehen wird das Ganze vom Brecht-Spezialisten Noah Willumsen. Bertolt Brecht besaß, wie ein Zeitgenosse einmal bemerkte, die „seltene Gabe, ein Gespräch mit präzisen, drastischen Formulierungen bei den Fragen festzuhalten, auf die es heute ankommt“: Wie bekämpft man die Dummheit? Was setzt man dem Faschismus entgegen? Wie sieht eine neue Welt aus? In den Interviews, die sich über 15 Länder und eine ganze Karriere erstrecken und in denen sich Brecht als wortmächtiger Medienkünstler zeigt, findet man überraschende Antworten.
Hägele, Julia: Grenzgängerinnen : 20 Frauen über das Glück im Extremen.
Signatur: Cdn Hägel
Aus dem Bereich: Geographie
20 Kurzporträts von Frauen, die zu den größten Abenteurerinnen unserer Zeit zählen. Sie suchen ihr Glück im sportlichen Extremen und stellen ihre persönlichen Grenzen in Frage.
Die Frauen berichten von ihrer Motivation und der mentalen Herausforderung, die eigenen Grenzen zu überwinden und ihre Ziele zu erreichen. Zudem gewähren sie auch einen Einblick in ihr Privatleben.
Pascal Hömens, Leiter der Schul- und Stadtteilbibliothek Gesamtschule Süd, liest: Heinrich Steinfest: "Der betrunkene Berg" (Piper 2022)
Eine Buchhandlung am Berg, in 1.700 Meter Höhe, gleich in der Nähe einer Almhütte. Die Hütte ist geschlossen, denn der Winter naht. Katharina aber, die die Buchhandlung betreibt, verbringt auch diese Zeit oben am Berg – gemeinsam mit Tee, Büchern und regelmäßigen Wanderungen zum nahen Berggipfel. Dieser Gipfel bleibt namenlos, er ist einer dieser vielen "…kogel", die man in den Alpen findet. Was man weiß ist, dass er 1.862 Meter hoch ist, ein Gipfelkreuz besitzt und in Oberösterreich liegt. Eine von Katharinas Wanderungen ist dann anders als die bisherigen.
Ein Mann liegt halb erfroren im Schnee. Es ist völlig unklar, wie er dort hinkommt, was aber in der aktuellen Situation nicht wichtig ist, denn der Mann muss dringend ins Warme. So nimmt Katharina ihn mit und quartiert ihn kurzerhand in ihrem Laden ein. Sie nennt ihn Robert, denn der Unbekannte kann sich weder an seinen Namen, noch an irgendetwas aus seinem Leben erinnern; somit auch nicht, wie er auf den Berg kam. Die beiden lesen zusammen, er kocht für sie, und Stück für Stück beginnt er sich zu erinnern.
Pascal Hömens
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Henss, Rita: Heute so schön wie damals : legendäre Urlaubsorte in Europa.
Signatur: Ce Henss
Aus dem Bereich: Geographie
Der nostalgische Bildband lädt ein, historisch bedeutende Urlaubsorte in Europa zu besuchen. Was ist noch zu finden aus der guten alten Zeit, als im italienischen Portifino prominente Stars wie Sophia Loren Urlaub machten, als im Budapest des 19. Jahrhunderts die Kaffeehäuser florierten oder als sich die kroatische Küste noch »österreichische Riviera« nannte? Dieses Buch begibt sich auf echte Spurensuche und lässt Urlaubserinnerungen aus der Kindheit wieder aufblitzen.
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Petrich, Martin H.: Safari Europa : Reisen in das wilde Herz unseres Kontinents.
Signatur: Ce Petri
Aus dem Bereich: Geographie
Nicht nur eine reiche Tierwelt bringt Safaristimmung nach Europa! Der eindrucksvolle Bildband stellt aufgeteilt in vier Hauptkapitel "Wilden Tieren auf der Spur", "Über den Himmel staunen", "Befeuere den Entdeckungsgeist" und "Reise und tu Gutes" zahlreiche, unterschiedliche europäische Naturziele vor. Neben den Wildtieren sind Phänomene wie der Sternenhimmel oder die Nordlichter ebenso Thema wie geführte Gletschertouren oder Freiwilligenprojekte zum Schutz von Tier und Umwelt.
Sieg, Sören: Oh, wie schön ist Afrika : meine Couchsurfing-Abenteuer in sechs Ländern bei 18 Hosts.
Signatur: Ch Sieg
Aus dem Bereich: Geographie
Sören Sieg ist freier Autor und Musiker und hat als begeisterter Couchsurfer schon viele Länder bereist. Jetzt führt es ihn erstmals nach Afrika. Er übernachtet bei achtzehn Gastgebern in Tansania, Ghana, Südafrika, Uganda, Kenia und Äthiopien.
Der Autor berichtet lebendig über seine Abenteuer und verschweigt dabei auch nicht Negatives, das ihm oder anderen Reisenden passiert ist. Ein vielschichtiger Reisebericht, der mit einigen westlichen Vorurteilen und Klischees über Afrika aufräumt.
Lubkoll, Lotta: Sonne, Meer und lange Ohren : mit Esel Jonny im ausgebauten Bus zum Überwintern an die Atlantikküste.
Signatur: Cem Lubko
Aus dem Bereich: Geographie
Nach ihrer Wanderung mit Esel Jonny von München über die Alpen bis ans Mittelmeer geht es für Lotta Lubkoll nun zum Überwintern an die Atlantikküste.
Sie baut einen alten Ford Transit zum Wohnmobil mit integrierter Transportbox um, damit auch Esel Jonny mitfahren kann.
Über Frankreich führt die Reise der beiden an die portugiesische Atlantikküste. Ohne Beschönigung, mit viel Humor und Authentizität beschreibt die Autorin ihre Erlebnisse, die täglichen Herausforderungen und Hindernisse.
Ein Roadtrip der besonderen Art.
Ian MacEwan: Lektionen
Romane, Autoren A-Z
Roland Baines ist ein alleinerziehender Vater, der sich als Barpianist, Tennisspieler und Gelegenheitsautor durchschlägt. Im Jahr 1986 ist er gerade von seiner Frau Alissa verlassen worden. Während die Nachrichten den Reaktorunfall in Tschernobyl melden, sitzt Roland mit dem sieben Monate alten Lawrence in London, bekommt Angst und fängt an, sein Leben zu hinterfragen. Prall mit Leben gefüllt, sprachgewaltig zwischen den Zeiten springend schafft der berühmte englische Autor ein Gesellschaftspanorama gefüllt mit großen und kleinen Dramen unserer Zeit.
Sabine Scherer, Lektorin der Stadtbibliothek Duisburg, liest: Ogette, Tupoka: UND JETZT DU. Rassismuskritisch leben. (München 2022, Penguin Verlag)
Tupoka Ogette wurde 1980 in Leipzig als Tochter eines tansanischen Studenten der Landwirtschaft und einer deutschen Mathematikstudentin geboren. Kurz vor der Wende wanderte ihre Mutter mit ihr nach Westberlin aus. Sie hat einen Magister in Afrikanistik und Deutsch als Fremdsprache und einen Master in International Business. Seit 2012 arbeitet sie als Beraterin und Trainerin im Bereich Rassismuskritik, bereits 2017 veröffentlichte sie den Bestseller exit RACISM.
Im Herbst 2012 erlebt Tupoka Ogette, wie ihr 3jähriger Sohn auf einem Spielplatz Opfer von Rassismus wird. „Sie sagen, meine Haare sind nicht normal. Und meine Haut ist hässlich. Und braune Kinder riechen schlecht“. Sie spürt Ohnmacht und Wut darüber, dass ihr Kind die gleichen schlimmen Erfahrungen machen muss, wie sie selbst als Kind. Das Gespräch mit den anwesenden Eltern der anderen Kinder ist eher entmutigend, aber sie beschließt, dass sie etwas ändern muss. Sie beginnt mit Workshops für Eltern schwarzer Kinder, merkt wie das Thema explodiert und arbeitet seitdem als Beraterin für Unternehmen, Verbände etc. in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Wir alle wurden (und werden) in eine rassistische Schieflage geboren und sind rassistisch sozialisiert, unabhängig davon, wie wir das finden. Allerdings haben wir nicht gelernt den Rassismus zu erkennen, geschweige denn darüber zu sprechen. Mit ihrem Buch „UND JETZT DU“ fordert sie uns auf rassismuskritisch denken zu lernen und darüber zu sprechen. In der Familie, unter Freunden, auf der Arbeit: überall im Leben. Wenn wir Weißen wegen einer rassistischen Bemerkung kritisiert werden, kommt oft das Gefühl „Das habe ich doch gar nicht so gemeint“. Das kenne ich von mir selbst. Rassismus ist unmoralisch, also bin ich, wenn ich rassistisch agiere, ein moralisch schlechter Mensch. Das möchte keiner sein. Tupoka Ogettes Bitte ist hier: Tief durchatmen, dem Drang nach Rechtfertigung standhalten und mal nüchtern betrachten, was gerade passiert ist. Warum und wodurch ist Verletzung passiert? Das hat auch nichts mit Vorsatz zu tun, es passiert oft, ohne es zu wollen. Aber Rassismus definiert sich über den Effekt, nicht über die Intention. Sie fordert die Menschen auf, die Vorstellung aufzugeben, dass Rassismus nur bei Nazis und Rechtsradikalen vorkommt.
Der Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen, die von Rassismus betroffen sind, das ist die Motivation der Autorin. Es gibt noch lange keine rassismusfreie Welt. Deshalb legt sie hier ein gut strukturiertes Arbeitsbuch für das Erlernen eines rassismuskritischen Lebens vor. Allen Neugierigen empfehle ich natürlich das Buch und zudem ein Interview mit der Autorin im Deutschlandfunk in der Reihe Lesart Antirassismus-Coach Tupoka Ogette - "Wir alle sind rassistisch sozialisiert" sowie ihren „TuPodcast“ (z. B. bei Spotify).
Sabine Scherer
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Deutschlandfunk Kultur: Tupoka Ogette im Gespräch mit Christian Rabhansl (Öffnet in einem neuen Tab)
Unlearn patriarchy : Lisa Jaspers, Naomi Rylnad, Silvie Hoch (Hrsg.)
Aus dem Bereich Soziologe
Signatur: GCQ UNLEA
In dieser Anthologie, die 15 Aufsätze von z.T. prominenten Autorinnen enthält, wird deutlich, wie sehr das Patriarchat in jedem Bereich unseres Alltags eine Rolle spielt und wir als Gesellschaft vieles als gegeben hinnehmen. Im Gegensatz zu Bewegungen wie „smash the patriarchy“, die zum Zerstören des Patriarchats aufrufen, finden die Herausgeberinnen es viel sinnvoller, die über viele Jahre erlernten und verinnerlichten toxischen Verhaltensweisen, die uns das Patriarchat beschert hat, zu realisieren, klar zu benennen und aktiv wieder zu verlernen: unlearn patriarchy.
Dr. Jan-Pieter Barbian, Direktor der Stadtbibliothek Duisburg, liest Gregor Sander: Lenin auf Schalke Penguin Verlag, München 2022, 188 Seiten
Alles im Leben ist eine Frage der Perspektive. In diesem Buch, das den Charakter einer Reportage hat, begibt sich ein „Ossi“ in Deutschlands armen Westen: ins Ruhrgebiet. Gregor Sander, der 1968 in Schwerin geboren wurde und heute mit seiner „westdeutschen“ Frau am Prenzlauer Berg in Berlin lebt, war es leid, immer nur die schlechten Nachrichten über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Miseren in den „fünf neuen Bundesländern“ in Ostdeutschland zu hören. Also wechselte er die Perspektive und erkundete im Frühjahr 2021 Gelsenkirchen. Die Stadt stand in der Nachkriegszeit für die wirtschaftliche Blüte der alten Bundesrepublik. Zahlreiche Zechen, in denen das „schwarze Gold“ gefördert wurde, Kokereien und Stahlwerke, eine moderne Elektrizitätswirtschaft sorgten für Vollbeschäftigung und Wohlstand für nahezu alle Menschen. Und heute? Aus der einstigen „Wirtschaftswunderstadt“ und „Stadt der tausend Feuer“ ist ein Sozialfall geworden: hohe Arbeitslosigkeit, hohe Armutsquote, hohe Sozialausgaben, hohe Verschuldung. Nicht anders als viele Städte und Regionen im Osten zahlt auch Gelsenkirchen den Preis für die völlige Deindustrialisierung und die Abwanderung von mehr als einhunderttausend Menschen, vor allem jungen. Da, wo früher eifrig malocht wurde, wird heute nur noch verwaltet, gedienstleistet und verkauft. Selbst der Fußballverein Schalke 04, der über eine lange Zeit national ebenso wie international ganz oben mitspielte und das Selbstbewusstsein der Gelsenkirchener stärkte, stieg in der Saison 2020/21 als Tabellenletzter in die 2. Liga ab.
Was Sander in dieser Tristesse alles sieht und entdeckt, ist auf den ersten Blick wenig aufbauend. Allerdings schreibt der Autor schonungslos ehrlich und macht deutlich, dass der viel gerühmte „Strukturwandel“ im Ruhrgebiet mehr schöne Fassadenmalerei als gelebte Wirklichkeit ist. Trost spenden immerhin die Menschen, denen der „Ossi“ begegnet – nicht alle, aber die meisten. Ömer mit seinem „türkischen Migrationshintergrund“ zum Beispiel, der mit seiner „Zonen-Gabi“ in einem der alten Bergmannshäuser in Flöz Dickebank lebt und eine der zahlreichen Trinkhallen betreibt, die er von seinem verstorbenen Vater, einem ehemaligen Kumpel, „geerbt“ hat; das Büdchen ist seine „Heimat“. Oder Omma Hilde, mit der sich Sander auf dem Schalker Fan-Friedhof unterhält und die ihm in bestem Ruhrgebietsdeutsch die liebenswerte Geschichte ihres Verhältnisses mit einem verheirateten Mann erzählt: er kam immer zu ihr, wenn Schalke 04 ein Auswärtsspiel hatte – und blieb, wenn es weiter weg stattfand, auch über Nacht. Natürlich fehlt nicht eine Erinnerung an Jürgen von Manger (1923-1994), der auch einmal Schauspieler am Theater in Gelsenkirchen war und von 1972 bis 1980 mit seinen Sendungen im ZDF den Menschen in West- und Ostdeutschland das Ruhrgebiet nahebrachte. Selbst die ansonsten eher humorresistente Mutter Sanders konnte darüber lachen. Der Autor idealisiert die Mentalität der Ruhrgebietsmenschen nicht, aber er beschreibt sie mit großer Sympathie, weil er in ihnen die gleichen Verlusterfahrungen und Orientierungsprobleme wie bei den Menschen in Ostdeutschland erkennt.
Was hat das Ganze nun mit Lenin zu tun? Selber lesen – es lohnt sich!
Dr. Jan-Pieter Barbian
Delphine de Vigan: Die Kinder sind Könige
Romane, Autoren A-Z
Mit 17 Jahren wollte Melanie in einer erfolgreichen Fernsehshow mitmachen, war jedoch wenig erfolgreich. Jahre später als Mutter zweier Kinder, hat sie begriffen, wie Social Media funktioniert und macht ihre Kinder zu Youtube Stars mit Tausenden Followern. Doch irgendwann verweigert sich ihre Tochter Kimmy und verschwindet kurz darauf. Der Roman überzeugt mit harter Kritik an den sozialen Medien, medialer Selbstvermarktung und an Eltern, die ihre Kinder instrumentalisieren.
Elke Strunk-Stinn, Lektorin der Stadtbibliothek Duisburg, liest Boris von Heesen: Was Männer kosten : der hohe Preis des Patriarchats
Boris von Heesen ist gelernter Wirtschaftswissenschaftler und arbeitet heute nach Stationen bei der Diakonie und der Drogenhilfe als Männer-, Jungen- und Gewaltberater sowie als geschäftsführender Vorstand eines Jugendhilfeträgers. Seit vielen Jahren setzt er sich als Autor und Referent mit dem Thema Kritische Männlichkeit auseinander und veröffentlicht hiermit sein 2. Buch zu diesem Thema.
Männer dominieren die Statistiken des Abgrunds: sie stehen mehr als Frauen für Gewalt, Unfälle, Diskriminierung, Sucht. Sie verursachen doppelt so viele Verkehrsunfälle, begehen mit Abstand die meisten Straftaten und belegen 94 Prozent der Gefängnisplätze in Deutschland. 75 Prozent der jährlichen Alkoholtoten sind männlich und mehr als 80 Prozent der häuslichen Gewalt geht von Männern aus.
Der Autor hat ausgerechnet, dass das Patriarchat (also nicht „die Männer“, wie im Titel genannt) Deutschland jährlich mindestens 63 Milliarden Euro kostet und er erläutert die Ursachen für dieses erschreckende Ungleichgewicht, das patriarchale Strukturen und die daraus resultierenden ungesunden geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen zu verantworten haben. Aufgrund der tief verwurzelten, aber längst überholten Rollenstereotypen werden wir nicht als Mensch, sondern als Junge oder Mädchen geboren mit der Erwartung, dass Jungen ihre weiblichen Eigenschaften unterdrücken, um „echte Männer“ zu werden und Mädchen ihre als männlich eingestuften Wesensarten nicht ausleben sollen.
Heesens Fazit: Das Patriarchat betrügt uns alle um einen großen Teil unserer Potenziale und dies ist traurig, ungerecht und eben auch sehr kostenintensiv.
Der Autor zieht in seinem Buch die Negativbilanz des Patriarchats, die die gesamte Gesellschaft betrifft, die für ungesunde patriarchale Verhaltensweisen bezahlen muss, die neben immensen Kosten auch Schmerz und Trauer verursachen.
Er behandelt im ersten Teil des Buches die messbaren Kosten, die durch Gefängnisaufenthalte, Süchte, Diebstahl, Wirtschaftskriminalität, ungesunde Ernährung, Verkehrsunfälle, Hooligans u.a. entstehen. Allein das Themenfeld „häusliche Gewalt“ schlägt mit enormen Kosten von mindestens 109 Mio. Euro für Polizeieinsätze und 205 Mio. Euro für die Justiz zu Buche, wobei Beratungsstellen, Therapien und Kosten für das Gesundheitswesen noch gar nicht mitgerechnet sind.
Im zweiten Teil erörtert er die hohen, jedoch nicht immer monetär messbaren Auswirkungen, die für die patriarchalisch geprägte Gesellschaft entstehen anhand von 5 Themenfeldern: geringere Lebenserwartung (Männer sterben im Durchschnitt 5 Jahre früher als Frauen), vermehrte Suizide (Männer begehen mehr als drei Viertel aller Suizide), Frauenhass, der in allen Bereichen stark männlich dominierte Rechtsextremismus, toxische Sexualität und den Bereich männlicher Sport.
Im dritten Teil des Buches werden Lösungen aufgezeigt, wie wir diesem Ungleichgewicht begegnen können und Wege aus der Krise finden: indem wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Geschlechter ihre Potenziale frei von geprägten Klischees und festgefahrenen Rollenstereotypen entwickeln können, damit es allen besser geht.
Sie finden diesen Titel in der Stadtbibliothek Duisburg als Buch und Hörbuch.
Elke Strunk-Stinn
Friedman, Michel: Fremd
Signatur: Ayb 2 Friedman Fried
Aus dem Bereich: Allgemeines
„Fremd“ ist ein sehr persönliches Buch. Als jüdisches Kind nach Deutschland gekommen erlebt Michel Friedman traumatisierte und übervorsichtige Eltern. Seine Kindheit und Jugend sind geprägt von Angst, die Familie erfährt offenen und versteckten Judenhass, fühlt sich heimatlos. Mit feinem Gespür für Zwischentöne und in Gedichtform hat Michel Friedman, Jurist, Philosoph und Publizist, ein sehr berührendes Buch über das Fremdsein geschrieben.
Dr. Jan-Pieter Barbian, Direktor der Stadtbibliothek Duisburg, liest Alex Capus: Susanna. Roman Carl Hanser Verlag, München 2022, 286 Seiten
Der im schweizerischen Olten lebende Schriftsteller Alex Capus ist ein wunderbarer Erzähler. In seinen Geschichten geht es immer wieder auch um bemerkenswerte Schweizer, die unsere Sicht auf die Welt und unser Leben bereichert haben. Die wenigsten von ihnen dürften uns bekannt sein – was sicherlich mit der scheinbaren Unauffälligkeit des kleinen Alpenlandes zu tun hat. Die Schweiz hat jedenfalls viel mehr zu bieten als nur Berge und Banken. In seinem neuen Roman stellt uns Alex Capus eine Frau vor, die ihren „Lebensweg“ aus dem traditionsreichen, aber doch sehr provinziellen Basel in die große weite Welt der noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika selbstbewusst gegangen ist. Susanna Carolina Faesch (1844-1926) stammte aus einer der reichsten und ältesten Familien Basels. Ihre Eltern ließen sich 1849 scheiden. Während ihre beiden Brüder beim Vater in der Schweiz blieben, nahm die Mutter ihre Tochter 1852 mit in die USA. Dort heiratete Maria Faesch den aus Dortmund stammenden Arzt Karl Valentiny, der wegen seiner Teilnahme an den revolutionären Ereignissen des Jahres 1848 Preußen hatte verlassen müssen und zunächst bei seinem Freund Lukas Faesch in Basel untergekommen war. 1850 emigrierte Valentiny in die USA, wo er in Brooklyn eine Arztpraxis eröffnete.
Der Roman bringt uns nicht nur in dieses abwechslungsreiche 19. Jahrhundert, sondern nimmt uns auch mit nach Basel, nach Afrika, wo sich Lukas Faesch und Karl Valentiny bei ihrem Dienst in der Fremdenlegion kennenlernten, nach New York und schließlich in den Westen der USA. Wir werden nicht nur Zeugen des Baus und der Einweihung der Brooklyn Bridge am 24. Mai 1883, sondern begegnen vor allem auch den Menschen, die zu jener Zeit im aufstrebenden New York aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammenkamen. Susanne Faesch, die ihre Bilder später mit dem Pseudonym Caroline Weldon unterzeichnete, hielt viele von ihnen in Ölporträts nach Fotos fest, wobei sie neben Auftragsarbeiten für Private, mit denen sie beachtliche Einnahmen erzielte, auch eine persönliche Auswahl an Porträts von Menschen für sich selbst sammelte, die ihr als typisch für die Zeit und die Gesellschaft erschienen oder die sie einfach besonders mochte. Seit Dass Susanna eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Frau war, belegen auch ihr einziger Sohn Christopher, der 1876 geboren wurde, und der gesellschaftliche Skandal, der damit verbunden war. Denn Christie war nicht das Kind ihres damaligen Ehemanns Bernhard Claudius Schlatter, einem aus der Schweiz zugewanderten jungen Arzt, den sie im Mai 1866 geheiratet hatte, sondern ging aus einer kurzzeitigen Liaison mit dem aus Schottland stammenden Christopher Joseph Stevenson hervor, der verheiratet war und als Grundschullehrer in Patterson/New Jersey arbeitete. Auch ein weiteres Kapitel aus ihrem Leben überrascht. Nach dem Tod Valentinys 1882, ihrer Scheidung 1883 und dem Tod ihrer Mutter 1887 entschloss sich Susanna Faesch im Frühsommer 1890, Brooklyn nach fast vierzig Jahren zu verlassen. Sie reiste in Begleitung ihres Sohnes mit dem Zug vom Grand Central Terminal in New York über Chicago nach Bismarck und von dort mit einem Dampfschiff auf dem Missouri bis Fort Yates im Dakota-Territorium. Hier schloss sie sich dem Indianer-Stamm der Lakota und der Sioux unter ihrem legendären Häuptling Sitting Bull (1831-1890) an. Ein Porträt von ihm hatte Susanna bereits in New York gemalt, wo der Held der 1876 gegen die weiße US-Armee gewonnenen Schlacht am Little Bighorn 1886 in einer Wild West Show im Madison Square Garden zusammen mit Buffalo Bill aufgetreten war. Susanna freundete sich schließlich mit Sitting Bull an und versuchte, ihn in dem drohenden Konflikt mit der US-Army zu beraten – leider vergeblich, wie wir wissen.
Noch vor den tragischen Ereignissen, die im November 1890 zum Tod Christies infolge einer Blutvergiftung und im Dezember zur Ermordung des Indianer-Häuptlings führten, endet der Roman. Er ist glänzend geschrieben, fesselt den Leser aufgrund seiner Figuren und ihrer bewegenden Lebensgeschichten, bezieht die gesellschaftlichen, politischen und rasanten technischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts mit ein, erweitert damit unseren Blick auf die Geschichte im Zeitalter der Globalisierung, mit der wir bis heute verbunden sind.
Dr. Jan-Pieter Barbian
Becker, Madeleine: Erstmal für immer: vom Hörsaal in den Kuhstall
Aus dem Bereich Biographien
Signatur: BB BECKER BECKE
Vom Aussteigen und Ankommen im Landleben: Als Madeleine Becker 2018 zum Campen nach Österreich aufbricht, erfährt ihr Leben eine totale Wendung. Ausgelaugt vom Studium und diversen Nebenjobs schnuppert die Städterin erstmalig Land- und Stallluft, lässt sich nach und nach auf ein Leben als Bäuerin ein und findet in dem Knochenjob sowohl ihren Traumberuf als auch ihr privates Glück. Sie schildert ungeschönt den Alltag in einem kleinbäuerlichen Biobetrieb, räumt mit Klischees auf und plädiert für eine bessere Wertschätzung von tierischen Lebensmitteln und gegen Massentierhaltung.
Irene Vallejo: Papyrus. Die Geschichte der Welt in Büchern. (Diogenes, 2022)
Irene Vallejo ist gebürtige Spanierin, sie hat klassische Philologie studiert und dabei ihre Leidenschaft für die Antike entdeckt. Mit „Papyrus“ ist ihr ein fantastisches Buch gelungen, in dem sie in die Welt der Literatur eintaucht und die Leser auf eine abenteuerliche Reise durch die faszinierende Geschichte des Buches mitnimmt und lebendig werden lässt.
So erfahren wir, ausgehend von den Anfängen im antiken Griechenland und im römischen Reich, Umfassendes aus der Welt des Buches: von den Vorläufern wie Tontafeln aus Lehm, Schriftrollen aus Papyrusblättern und Pergament aus behandelten Tierhäuten, von der Entstehung der ersten Bibliotheken und deren Begründern, z.B. Alexander dem Großen und dessen Sammelwahn, von der Entwicklung der Schriftsysteme, der Erfindung des Alphabets, von ersten wandernden Buchhandlungen, von der Alphabetisierung in der Bevölkerung, und nicht zuletzt von bedeutenden Autoren und deren prägenden Werken ihrer Zeit. Und das erfolgt, sachlich fundiert, im Kontext des jeweiligen Zeitgeistes und religiöser, weltlicher und zivilgesellschaftlicher Strömungen.
„Papyrus“ ist gut nachvollziehbar geschrieben und trotz 745 Seiten nie langweilig. Es wurde in Spanien mit den wichtigsten Literaturpreisen des Landes ausgezeichnet und ist wahrlich eine literarische Bereicherung für alle, die sich für Weltgeschichte interessieren.
Martina Kutscher
Hershovitz, Scott: Der Sinn von allem oder zumindest fast : überraschende Einsichten eines Philosophen.
Signatur: Le Hersh
Aus dem Bereich: Philosophie
Scott Hershovitz ist Professor für Rechtsphilosophie und nimmt Gespräche mit seinen Kindern zum Ausgangspunkt, um allgemein verständlich in einige Grundfragen der Philosophie einzuführen.
Es geht in dem Buch um die Moral, um Identiät und Rassismus und auch die Unendlichkeit des Universums. Der Autor berichtet von seinem philosophischen Alltag und zeigt, dass Philosophie gar nicht so kompliziert und dabei sehr unterhaltsam ist.
Mark Lanegan: „Sing backwards and weep“ ⎮Alles Dunkel dieser Welt⎮(Wilhelm Heyne Verlag 2021)
„You were my Heathcliff!“ Mit diesen innigen Worten verabschiedete sich Isobel Campbell im Februar dieses Jahres von Mark Lanegan, als dieser, vermutlich in Folge einer schweren COVID-19 Erkrankung, im Alter von 57 Jahren verstarb. Prägnanter hätte die schottische Sing Songwriterin und Cellistin Mark Lanegan kaum beschreiben können. „Heathcliff”, jener zerrissene Charakter und romantische Antiheld aus Emily Brontës Roman “Wuthering Heights” mit der Neigung, sich selbst und sein ihn umgebendes Umfeld zu zerstören, steht stellvertretend für weite Teile des Lebens und der Person Mark Lanegans. Bekannt wurde Lanegan in den 80er und 90er Jahren als Frontman der Gruppe Screaming Trees, einer Band aus dem Ort Ellensburg unweit von Seattle im Nordwesten der USA, die dem damals aufkommenden Grungegenre zugeordnet wurde. „Sing backwards and weep“ ist seine schonungslos verfasste „Autobiographie“. Es ist ein Parforceritt aus zerrüttetem Elternhaus, Kriminalität, Alkohol und dem zwangsläufigen Abstieg in den harten Drogensumpf, Endstation Obdachlosigkeit. Es ist aber auch eine musikalische Erinnerungsreise in eine Zeit, als Seattle der Nabel der Rockmusik war und es gibt Anekdoten zu entdecken, die unsereins Schmunzeln lassen. Wie etwa diese, als Lanegan bei einem Konzert regionaler Rockbands in der „öffentlichen Bibliothek“ seiner Heimatstadt Ellensburg, begeistert vom Auftritt einer Band, mit deren Sänger die Kontaktdaten austauschte. Als er hinterher den Zettel wieder hervorkramte las er, dass es sich bei der Person um einen gewissen „Kurt“ gehandelt hat...
Im Gegensatz zu vielen Weggenossen hat es Mark Lanegan über den Entzug in einer Nervenheilanstalt dann doch noch geschafft, die Kurve zu kriegen, der Drogensucht zu entkommen und bis zu seinem Tod mit einer vom Leben gezeichneten Stimme zu begeistern.
Dirk Heyermann
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Mark Lanegan auf YouTube! (Öffnet in einem neuen Tab)
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