Stadtgespräch: Koloniales Erbe
Vergangenheit, Verantwortung, Zukunft
Am 12. November 2024 fand im Rahmen des Projekts „Ein anderes Duisburg“ eine Diskussion zum Thema „Koloniales Erbe: Vergangenheit, Verantwortung, Zukunft“ statt. Ziel der Veranstaltung war es, das Bewusstsein für die postkolonialen Spuren in Deutschland zu schärfen, die historischen Wurzeln des Kolonialismus zu beleuchten und die bis heute spürbaren Auswirkungen des kolonialen Denkens zu hinterfragen. Als Referentinnen und Referenten waren Iris Rajanaygam (Bundeszentrale für politische Bidlung), Austen Peter Brandt (Phienix e.V.) und Naomi Dibu (Beiratsmitglied „Ein Anderes Duisburg“) geladen, durch den Abend führte Nathalie Eleyth (Ruhr-Universität Bochum.
Historischer Hintergrund
Von 1884 bis 1919 unterhielt das Deutsche Kaiserreich Kolonien in Afrika und Asien und war damit ein zentraler Akteur im europäischen Kolonialismus. Diese Epoche war geprägt von der gewaltsamen Inbesitznahme und Ausbeutung außereuropäischer Länder, der Versklavung der Bevölkerung und der Errichtung von Hierarchien, die bis heute nachwirken. Obwohl die Rolle Deutschlands im Kolonialismus oft als weniger bedeutend angesehen wird als die Frankreichs oder Englands, ist sie tief in die kolonialen Machtstrukturen Europas verstrickt. Diese Vergangenheit wirft Fragen auf, wie Deutschland heute mit seinem kolonialen Erbe umgeht und welche Konsequenzen dies für eine diverse Gesellschaft hat.
Die Veranstaltung
Das Stadtgespräch widmete sich intensiv den Nachwirkungen des Kolonialismus und der Frage, warum es Deutschland so schwer falle, sich diesem Teil der Geschichte zu stellen. Alle drei Referentinnen betonten, dass Abwehrmechanismen, wie die Fokussierung auf andere Nationen oder die Annahme, der Holocaust sei das einzige dunkle Kapitel der Geschichte, eine ehrliche Auseinandersetzung behindern.
Es wurde hervorgehoben, dass koloniale Denkmuster in Sprache, Bildung und Institutionen bis heute fortbestehen. Die Diskussion machte deutlich, dass die deutsche Gesellschaft zudem oft kein entsprechendes Vokabular für diese Themen hat und deshalb Begriffe wie „People of Color“ (POC) aus anderen Sprachräumen übernimmt, somit müsste auf grundlegendsten Niveau bereits begonnen werden, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen.
Besonders eindringlich war die Forderung, Bildungsinstitutionen wie Schulen und die Lehrkräfteausbildung stärker in die Verantwortung zu nehmen. Strukturelle Veränderungen seien nötig, um rassismuskritisches Denken zu fördern. Auch die Rolle der Medien und zivilgesellschaftlicher Organisationen wurde hervorgehoben.
Ein zentraler Punkt der Diskussion war, dass Rassismus kein individuelles Problem, sondern ein tief in den Strukturen unserer Gesellschaft verankertes System ist. Es wurde betont, dass wir alle – unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft – rassistisch sozialisiert wurden. Diese Sozialisierung ist ein zentraler Mechanismus des Systems und prägt unser Denken und Handeln oft unbewusst. Erst durch die Anerkennung dieser Tatsache kann eine ehrliche Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilen und Privilegien beginnen.
Die Podiumsdiskussion endete mit der Frage, was Einzelne tun können, um rassismuskritischer zu werden. Die Referentinnen und Referenten forderten mehr Mut, Fehler als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren, und den Aufbau einer gemeinsamen Gesprächskultur, in der Narrative von Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammengeführt werden.
Die Veranstaltung war ein wichtiger Schritt, um koloniales Erbe und dessen Folgen sichtbar zu machen. Sie zeigte auf, wie weitreichend die Auswirkungen des Kolonialismus sind und wie wichtig es ist, diese Themen gemeinsam und offen zu diskutieren. Nur durch die Anerkennung, dass Rassismus ein strukturelles Problem ist und uns alle betrifft, können Wege zu einer rassismuskritischen Gesellschaft gefunden werden.